Die Wende kam, nachdem eine Reha genehmigt wurde. Der MDK, der medizinische Dienst der Krankenkassen, hatte dafür in seinem Gutachten die MEDICLIN Seepark Klinik vorgeschlagen. Die Klinik in Bad Bodenteich ist auf die Behandlung von Essstörungen spezialisiert.
Ingo Hardt ist nun seit acht Monaten dort und, wie er sagt, „für jeden Tag dankbar“. In der Klinik stehen tägliches intensives Training und Therapie auf dem Programm: Einzel-Physiotherapie und Ergotherapie, Ernährungsberatung und viel Bewegung, flankiert durch psychologische Betreuung.
Nach der Aufnahme, er war liegend in die Klinik transportiert worden, begann für ihn ein langwieriger Prozess. Es war mühsam und oft schmerzhaft. Die Fortschritte kamen in kleinen Schritten. Die verkümmerten und verkürzten Muskeln mussten zunächst wieder aufgebaut werden. Er trainierte dazu im Bett liegend mit einem am Fußende angebrachten Therapiegerät mit Fahrradpedalen.
Die Physiotherapeuten und Pfleger übten mit ihm mehrmals am Tag Aufsitzen und Aufstehen. „Am Anfang ging es erst einmal auch darum, meine Angst zu überwinden, frei zu stehen.“ Als einen ersten wichtigen Fortschritt empfand Ingo Hardt, als er mit einem Rutschbrett den Transfer zwischen Bett und Rollstuhl alleine schaffte. „Ich war nicht mehr permanent ans Personal gebunden.“ Es folgten erste Schritte im Zimmer mit dem Rollator und irgendwann war das Etappenziel erreicht:
Er konnte die Treppe bewältigen – damit waren Wassertherapie und der Speisesaal erreichbar. „Ich habe wieder eine ganz andere Welt betreten. Nach Jahren, in denen ich auf dem Zimmer essen musste, war ich nicht mehr alleine. Das war eine tolle Erfahrung, wieder ins soziale Leben zurückzukehren.“
„Die Ernährungsberater passen auf uns auf“
In der Klinik wird das Gewicht streng kontrolliert. Jeden Dienstag steht Ingo Hardt auf der Waage, donnerstags bespricht eine Ernährungsberaterin mit ihm die aktuelle Entwicklung. Wenn die Waage ein Plus zeigt, wird gemeinsam durchgegangen, woran es gelegen haben könnte und sein Speiseplan kommt auf den Prüfstand.
„Die Ernährungsberaterinnen sind immer für uns da, man kann sie jederzeit auch auf dem Flur ansprechen, wenn man Fragen hat“, berichtet er. Auch im Speisesaal sind die Ernährungsexpertinnen präsent. „Die passen gut auf uns auf“, erzählt Ingo Hardt lachend. „Wenn man einmal zu viel auf dem Teller hat, wird man schon mal darauf angesprochen, aber immer nett, immer freundlich, immer erklärend!“
In der Lehrküche können die Rehabilitanden gesunde Rezepte ausprobieren, unter Anleitung, aber auch für sich in Fünfergruppen. „Man fragt vorher, ob ein Rezept in Ordnung ist und dann kochen wir zusammen.“ Hier können die Rehabilitanden ein Gefühl für eine gesunde Ernährung entwickeln: Ingo Hardt hat beispielsweise vegetarische Gerichte mit Tofu oder ein Eiweißbrot kennen und schätzen gelernt.
Ein Lendenwirbelbruch und eine Lungenentzündung haben ihn zwischenzeitlich zurückgeworfen. Dann musste er den Tod seiner Mutter bewältigen. Die psychologische Betreuung, die in der Klinik fester Bestandteil der Therapie ist, habe ihm dabei sehr geholfen, sagt er. Besonders hebt er hervor, dass die Psychologen von sich aus auf ihn zugekommen seien, als es ihm schlecht ging. Er hat die mentale Unterstützung schätzen gelernt und seine innere Einstellung geändert.
„Früher saß ich mit 240 Kilogramm im LKW und dachte, ´Leck mich am A…., ich bin so wie ich bin, schau´, dass Du mit mir klarkommst. Zum Psychologen? Ich hab´ doch keine Macke! Heute denke ich: War ich bescheuert: Übergewicht ist Kopfsache!“